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Thorium: grüne Kernenergie?

Die Geschichte spielt in Norwegen. Eine ökologische Regierung kommt die Macht und erregt großes Aufsehen. Der Premierminister kündigt den endgültigen Ausstieg aus der Verwertung fossiler Energieträger zugunsten grüner Kernenergie an: dem Thorium. Dieses Szenario aus der erfolgreichen norwegischen Fernsehserie Occupied könnte schon bald keine Fiktion mehr sein. Das Mineral rückt angesichts seines riesigen Potenzials vermehrt in den Fokus des Interesses. Aber kann diese langersehnte Wunderressource wirklich all unsere Umweltverschmutzungsprobleme lösen?

Ein Metall mit göttlichem Namen

Thorium ist alles andere als eine Neuentdeckung. Es ist schon seit fast zwei Jahrhunderten bekannt. Genau gesagt wurde es in Norwegen auf der Insel Løvøy entdeckt und 1829 für Untersuchungen an den schwedischen Wissenschaftler Jöns Jakob Berzelius (1779–1848) gesendet. Der stellte fest, dass es sich um ein neues Element handelte und benannte es nach Thor, dem Gott des Donners in der nordischen Mythologie. Das Metall blieb interessanterweise bis zum Jahr 1885, in dem der Gasglühkörper erfunden wurde, ungenutzt. Es wurde verwendet, bis der Glühlampenmarkt am Ende des ersten Weltkriegs einbrach. Im Jahr 1898 entdecken der deutsche Chemiker Gerhard Carl Schmidt (1865–1949) und zwei Monate später die berühmte Physikerin Marie Curie (1867–1934) die Radioaktivität von Thorium. In den 50er-Jahren wurden Thorium-Versuchsreaktoren gebaut, die Forschungsarbeiten wurden jedoch schnell zugunsten von Uran eingestellt.

Seitdem hat sich vieles verändert. Uran-235 ist ein nicht erneuerbarer Rohstoff. Die zu vertretbaren Kosten verwertbaren Vorkommen dürften bis 2040 erschöpft sein, und zahlreiche Länder wie China, Indien, Japan und Norwegen verlagern ihren Fokus verstärkt auf die Thoriumindustrie.

Ein Mineral mit vielen Vorteilen

Es gilt festzuhalten, dass Thorium im Vergleich zu Uran viele Vorteile aufweist. Da seine Halbwertszeit sehr lang ist (ca. dreimal das Erdalter), kommt es in der Erdkruste reichlich vor und ist in Form eines einzelnen Isotops, Thorium-232, vorhanden. Überall auf der Welt findet man große Vorkommen, und in fast allen Ländern der Welt ist unter dem Erdboden Thorium vorhanden. Es ist leicht radioaktiv und nur gefährlich, wenn es in großen Mengen inhaliert oder eingenommen wird. Es ist leistungsstark und hat einen hohen Gesamtwirkungsgrad. Es kann zu 100 % genutzt und muss nicht angereichert werden. Im Vergleich: Beim Uran kann lediglich ein geringer Prozentsatz verwertet werden. Durch den Kernbrennstoffkreislauf bei Verwendung von Thorium werden Abfälle reduziert. Der Großteil der radioaktiven Abfälle hat dadurch eine Halbwertszeit von weniger als 50 Jahren!

Das einzige Problem besteht in der Realisierung dieser Thorium-Kraftwerke. Thorium ist im Gegensatz zum in modernen Kernkraftwerken genutzten Uran-235 nicht spaltbar, sondern nur brütbar. Eine direkte Energiegewinnung durch Kernspaltung ist nicht möglich. Es muss zunächst in Uran-233 umgewandelt werden – ein saubereres spaltbares Material als die derzeit eingesetzten Brennstoffe – dafür muss jedoch Plutonium-239 hinzugefügt werden, das allerdings in den heutigen Kernreaktoren hergestellt wird. So paradox es klingen mag, funktioniert der Thorium-Zyklus zu Beginn nicht eigenständig und muss zuvor den Uran-Zyklus durchlaufen. Mit der Zeit wird bei der Herstellung von Uran-233 kein Plutonium mehr benötigt und die Reaktoren, die mit Uran-Zyklus betrieben werden, können eingespart werden. Einigen Experten zufolge dürfte diese Übergangszeit jedoch mindestens hundert Jahre dauern.

Weniger Unfälle … auf dem Papier

Die Nutzbarmachung von Energie aus Thorium erfordert auch die Entwicklung sehr innovativer Reaktoren. Diese existieren bisher allerdings nur auf dem Papier. Es wurden verschiedene Ansätze vorgeschlagen, und am erfolgversprechendsten erscheint die Verwertung von Thorium in Flüssigsalzreaktoren. Der Kernbrennstoff liegt in flüssiger Form in geschmolzenem Salz gelöst (600 bis 900 °C) vor. Dieses wirkt gleichzeitig als Moderator, Trägermedium (das die Wärme zwischen zwei oder mehreren Temperaturquellen transportiert) und als Abschirmungsbarriere.

Schließlich stellt sich die Frage nach der Sicherheit. Obwohl Flüssigsalzreaktoren nicht wie im Fall von Tschernobyl oder Three Mile Island außer Kontrolle geraten dürften, schützen sie nicht vor Störungen des Kühlsystems (Szenario wie in Fukushima). Ein Kernkraftwerk erzeugt selbst nach ordnungsgemäßer Abschaltung Restwärme. Diese Wärme muss zwingend abgeführt werden, da ansonsten die Temperatur unaufhaltsam ansteigt und die Anlage zerstört wird. Flüssigsalzreaktoren bilden hier keine Ausnahme. Auch darf man nicht vergessen, dass die Natur viel einfallsreicher ist als der Mensch, was Katastrophen betrifft …

Last modified: May 3, 2019

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