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Sind alle Hotels bald „Nullenergiehäuser“?

Die Hotelbranche ist mit ihren fast 17 Millionen Zimmern weltweit (1) ein Schwergewicht der Weltwirtschaft. Gleichzeitig ist sie auch eine große Verschmutzungsquelle. Um uns ein Bild davon zu machen, nehmen wir zum Beispiel Frankreich, das meistbesuchte Land der Welt. Unser Nachbarland verzeichnete im Jahr 2017 ganze 87 Millionen Touristen aus der ganzen Welt. Die Touristenunterkünfte verzeichneten im gleichen Jahr mit 429 Millionen Übernachtungen insgesamt einen Besucherrekord. Nun werden bei einer Hotelübernachtung durchschnittlich 6,9 Kilo CO2 in die Atmosphäre abgegeben. Davon entfallen 34 % auf Heizung und Klimaanlagen, 23 % auf das Frühstück und 17 % auf die Wäscherei. Allein die französische Hotelbranche stößt jedes Jahr durchschnittlich über 2,5 Millionen Tonnen CO2 aus!

„Nearly Zero Energy“-Hotels

Seit ein paar Jahren wurden zahlreiche Initiativen zur Reduzierung der Umweltbelastung durch die Hotelbranche ins Leben gerufen, wie z. B. die Initiative neZEH (nearly Zero Energy Hotels). Dieses europäische Projekt erstreckte sich über einen Zeitraum von drei Jahren (2013–2016). Ziel war es, die Grundlage für Maßnahmen zu schaffen, die die Renovierungsquote bestehender Hotels auf ein Niveau nahe null bringen sollen. Es wurde ein neZEH-Netzwerk zur Vereinfachung des Austauschs zwischen Bauexperten und Hoteleigentümern eingerichtet. Mittels eines auf nezeh.eu verfügbaren webbasierten Tools ist es heute möglich, anhand eines Fragebogens die Energieeffizienz von Hotels zu bewerten und verschiedene Lösungen zu deren Verbesserung zu identifizieren. Es wurden 16 Touristenhotels in sieben Ländern (Kroatien, Spanien, Frankreich, Griechenland, Italien, Rumänien und Schweden) ausgewählt, die am Pilotprojekt teilnehmen, um als Beispiele aus der Praxis zu dienen und andere Betriebe zu motivieren, sich zu beteiligen.

Nullenergiehotels sind auch im Zentrum von Großstädten möglich. Im Stadtzentrum von Wien hat beispielsweise das erste grüne Boutique-Hotel eröffnet. Das Hotel Stadthalle erzeugt dank einer Solarmodulfläche von 130 m2, 93 m2 Photovoltaikmodulen, einer Wärmepumpe zur Warmwassererzeugung und drei in Kürze funktionsfähigen Windkraftanlagen seine benötigte Energie selbst. Die 38 Hotelzimmer sind mit Energiespar- und LED-Lampen ausgestattet.

Ein von Termitenhügeln inspirierter Hotelkomplex

Ein weiteres Hotel, das den Anspruch erhebt, das erste Nullenergiehotel der Welt zu sein, ist das Breeze Amsterdam. Das im Wohnviertel Ijburg in Amsterdam gelegene Hotel wird Anfang 2019 eröffnet. Das Gebäude ist vom natürlichen Klimasystem in Termitenhügeln inspiriert. In den Termitenhügeln, die sich mitten in der Wüste befinden, wo die Temperatur tagsüber auf 40 °C ansteigt und nachts auf unter null fällt, herrscht ein konstanter Luftstrom, durch den die Temperatur den ganzen Tag lang bei 30 °C gehalten wird. Zur Reproduktion dieses Effekts waren fünf Jahre Forschung und Modellberechnungen in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Delft erforderlich.

Das System namens Earth, Wind and Fire erfüllt zwei wichtige Funktionen: Klimatisierte Luft für das gesamte Gebäude sowie die Energieerzeugung. Öffnungen auf dem Dach des Gebäudes fangen den Wind auf. Der vorher durch Schornsteine auf dem Dach erwärmte Luftstrom dringt kaskadenartig über eine Anordnung von Schächten ein. Die Luft wird mit warmen oder kalten Wassertröpfchen aus einer Erdwärmepumpe vermischt. Die Luft wird im Sommer gekühlt und im Winter vorgewärmt. Nachdem die Luft das Gebäudefundament erreicht hat, wird sie mit der gewünschten Temperatur und einer konstanten Luftfeuchte im Inneren des gesamten Hotels verteilt. Der Luftstrom steigt daraufhin durch eine verglaste Außenwand, hinter der die Luft erwärmt wird, entlang der Fassade des Gebäudes bis zum Dach auf. Dadurch wird ein anhaltender Luftstrom im gesamten Gebäude erzeugt. Auf dem Dach des Gebäudes wird mittels eines Wärmetauschersystems die Wärme des Luftstroms für die Warmwassererzeugung genutzt. Die Wände, das Dach und die Vor- und Schutzdächer des Hotels sind mit Solarmodulen bestückt, die ausreichend Energie bereitstellen, um alle Hotelzimmer mit Strom zu versorgen.

Auch Luxushotelkomplexe haben den Trend erkannt.  Vom Öko-Resort in Kenia über den selbstversorgenden Campingplatz mitten in der australischen Wüste bis hin zu schwimmenden Solarenergie-Luxussuites auf den Malediven (Solar Floating Island) – auch der Luxustourismus hat den Anspruch, umweltbewusst zu sein. Es geht sogar noch besser: Ein norwegisches Architektenbüro plant für 2021 die Eröffnung des ersten Positivenergiehotels in der Arktis. Es soll ringförmig auf einem Fjord stehen, um so viel Energie wie möglich in den Photovoltaikmodulen des Hotels zu speichern. Außerdem werden dank Wärmepumpen die heißen Quellen des angrenzenden Golfstroms genutzt. Das Hotel kann sogar Energie an das regionale Stromnetz abgeben, vor allem an langen Sommertagen.

Werden also bald alle Hotels „Nullenergiehäuser“ sein? Wir sind noch weit davon entfernt, aber auf dem richtigen Weg …

(1) Im Jahr 2018 lag ihre Zahl laut dem internationalen Büro STR Global bei 16.966.280.

Last modified: October 7, 2019

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